Mond-Simulation Braunkohlentagebau Nochten I

Ich bin in relativer Nähe zu einem Braunkohlentagebau aufgewachsen. Der Tagebau Nochten in der Lausitz existiert solange ich mich erinnern kann. Früher, in meiner Kindheit und Jugend war der Tagebau fern. Ich musste viele Kilometer radeln, um an seine Grenze zu stoßen.

Neulich war ich mal wieder in der Heimat. Und anstelle meiner früheren, ergiebigen Pilzgebiete erstreckt sich eine Einöde, die das Auge des Betrachters spottet. Die folgenden Bilder täuschen ein wenig über das wahre Ausmaß des Tagebaus hinweg. Ich habe teilweise auf ein Zoom-Objektiv gesetzt, um überhaupt Einzelheiten der gigantischen Abraummaschinen einfangen zu können.

Zunächst mal ein kleiner Überblick von oben:

Google-Maps-Ausschnitt vom Tagebau Nochten mit Weißwasser und dem Kraftwerk Boxberg
Der Tagebau Nochten reicht vom südlichen Stadtrand Weißwassers bis an das Kraftwerk Boxberg heran. Gut zu sehen sind die bereits fortschreitenden Renaturierungen nördlich des Kraftwerks. Dennoch: Die Stadt Weißwasser würde in das Tagebaugebiet ein paar mal rein passen und wäre damit mehrfach ausradiert worden. Ein Schicksal welches sie mit einigen kleinen dörfern teilen würde, die im Zuge der jahrenlangen Ausbeutung der Erde von der Landkarte verschwanden.
Der Tagebau Nochten I beansprucht(e) ca. 100 Quadratkilometer Fläche. (Quelle: Deutschlandfunk)

 


 

Vor einigen Jahren als ich in den heimatlichen Gefilden weilte, konnte man – wenn der Wind richtig stand – den ganzen Tag über das Quietschen und Stöhnen der Abraumgiganten bis nach Weißwasser hören. Einwohner berichteten mir davon, dass im Sommer wahre Sand- und Staubstürme vom Tagebau her in die Stadt zogen und alles mit einer Schicht aus Dreck überzogen. Ehrlich – ich in froh, dort nicht leben zu müssen. Gesund ist das bestimmt nicht.

In angrenzenden Tagebaugebieten wurden bereits Renaturierungsvorhaben umgesetzt. So entstehen im Nachgang eines Tagebaus aus den riesigen Löchern Seen-Landschaften. Die Abraumbecken werden geflutet. Es dauert Jahre bis diese Gebiete nutzbar sind. Sicher ist der Ansatz, aus einem ehemaligen Tagebau ein Wassersportparadies zu machen, eine relativ gute Idee. Irgendwas muss man ja mit der zerstörten Natur machen. Ein Beispiel? Schau mal ins Lausitzer Seenland! Hier wird eindrucksvoll dargestellt, was aus einem einstigen Tagebau-Gebiet entstehen kann. Auf der Homepage heisst es:

Zwischen Berlin und Dresden entsteht durch die Flutung früherer Tagebaue eine spektakuläre Wasserwelt mit mehr als 20 künstlichen Seen, die eine Landschaft einmaligen Ausmaßes formen. In wenigen Jahren werden zehn Seen durch schiffbare Kanäle miteinander verbunden sein. Das Lausitzer Seenland ist eine Urlaubsregion im Entstehen, die sich immer erkennbarer vom Braunkohlerevier zur größten von Menschenhand geschaffenen Wasserlandschaft Europas entwickelt.

So wie vorher wird es aber niemals werden. Allerdings bergen die Vorhaben so ihre eigenen Gefahren. Denn: die Ufergebiete der neuen Seen sind alles andere als stabil, wie du diesem Artikel auf rp-online entnehmen kannst. Erst diesen Sommer musste am Knappensee bei Hoyerswerda ein Campingplatz vorsorglich 200m “vom Ufer weg” verlegt werden, da Abrutschungen des Kippengeländes zu befürchten sind.

Tja – in meinem Gedächtnis bleiben nur die Erinnerungen an die wunderbare Natur, die einst anstelle der jetzigen Tristess Auge und Herz erfreute. Meine Güte, wie viel Zeit  hatte ich damals in den Wäldern dort verbracht. Ich habe quasi säckeweise Pilze geholt. Unweit der Stelle, wo jetzt der Aussichtsturm an der Tagebauabbruchkante steht, habe ich fast mal in eine Kreuzotter gegriffen. Ich musste mit dem Rad die steile Böschung am “Schweren Berg” hinaufkraxeln, rutschte aus und fing mich mit der rechten Hand ab. Keine 5cm neben der Hand sonnte sich gemütlich eine Kreuzotter. Ich brauchte mehrere viele Sekunden um das ganze gallige Adrenalin abzubauen und den Puls auf Normal herunter zu fahren. Erinnerungen … viel mehr ist nicht geblieben. Ich muss mal schauen, ob ich noch alte Bilder aus der Gegend habe. Die Chancen sind aber gering, denn ich war weder fotografisch engagiert, noch hatte ich eine Ahnung, dass es mal so etwas wie Digitalfotographie und Datensicherungen geben würde.

Und hier kommt nun die kleine Bilderstrecke zum Tagebau Nochten. Alle Bilder enthalten zusätzliche Informationen zur Erläuterung. Ein Klick auf ein Bild öffnet es in einer größeren Ansicht.

Der Tagebau Nochten I in Bildern

Schautafel zum Tagebau Nochten mit Hinweisen zum Tagebau und zu sichtbaren Anhaltspunkten
Diese Schautafel ist an der obersten Aussichtsplattform des Tagebauaussichtspunkts angebracht und gibt Infos zum Tagebau selbst, als auch zu den Orten, die man von hier oben sieht.
Schier endlos weit nur Ödnis: so sieht die Landschaft aus, wenn ein Braunkohlentagebau abgezogen ist.
Noch eine Totale mit dem Teleobjektiv. Das was selbst mit Zoom sehr klein aussieht, verliert angesichts dieser Aussicht noch weiter an Bedeutung. Der Tagebau Nochten hinterlässt nicht viel mehr als eine mondähnliche Simulationslandschaft. Zu erkennen ist das zarte Grün erster Wiederaufforstungsversuche. Links unten der Radweg, der an der Tagebaukante um den Tagebau herum nach Nochten führt. Ich bin ihn noch nicht gefahren und muss mich daher auf die Aussagen der Einheimischen verlassen. :)
Ein Stück asphaltierte Straße mitten im Tagebaugelände
Ein Stückchen(?) Straße mitten im Tagebaugelände. Wiederum stark gezoomt. Ich könnte nicht schätzen, wie lang das Asphaltstück ist. Die Relationen täuschen angesichts der großen Fläche ohne jeglichen Bezugspunkt gewaltig. Die Brocken rechts der “Straße” sind Findlinge, die eventuell mal im Findlingspark Nochten zu sehen sein werden?
Beginnende Renaturierung im Tagebau Nochten
Wiederum mit starkem Zoom: hier sind die ersten Schritte der Renaturierung des ausgebeuteten Tagebaugeländes zu sehen. Die angelegten “Wälder” sind noch sehr jung. Der Eindruck täuscht etwas: in Wahrheit ist das Gebiet mehrere Quadratkilometer groß. Bis zum Waldrand im Hintergrund sind es ca. 4-5km, würde ich sagen.
Weit, weiter, am weiträumigsten ... der Tagebau Nochten mit dem Kraftwerk Boxberg im Hintergrund
Weit, weiter, am weiträumigsten … der Tagebau Nochten mit dem Kraftwerk Boxberg im Hintergrund. Dieses ungezoomte Bild gibt die wahren Ausmaße des Tagebaugeländes ziemlich gut wieder. Das Kraftwerk im Hintergrund ist ca. 8,5km entfernt. Der große Abraumbagger wirkt fast niedlich. Der Eindruck verflüchtigt sich bei der Nutzung eines Zooms ganz schnell.
Großer Abraumbagger im Tagebauch Nochten. Im Hintergrund das Braunkohlekraftwerk Boxberg
Fast wie Spielzeug wirken die Autos am Fuße des riesigen Baggers im Tagebau. Das Foto wurde mit starkem Zoom aufgenommen, so dass das im Hintergrund liegende Braunkohlenkraftwerk Boxberg fast in Wurfweite erscheint.
Früher “zierten” 4 Schornsteine von 300m Höhe das Bild des Kraftwerks. Dazu gesellten sich noch 2 Türme mit 150m Höhe. Von denen war während eines Sturmes mal einer einfach umgefallen. Was natürlich für reichlich Spott sorgte. Damals kursierte ziemlich schnell der folgende Witz:
“Nach dem spontanen Strukturversagen des Schornsteins wurde eifrig nach dem Schuldigen gesucht. Das Wasser sagte sofort: “Ich kann es nicht gewesen sein. Ich wurde sieben mal gereinigt, bevor ich verwendet wurde!”. Der Kies warf sofort hinterher: “Ich kann es auch nicht gewesen sein. Ich wurde sieben mal gesiebt!”. Daraufhin meinte der Zement: “Ich war es auch nicht. Ich war gar nicht beim Bau dabei!”
Schweres Gerät im Tagebau Nochten: ein eiserner Dämon
Mittels starkem Zoom “greifbar” gemacht: dieser stählerne Koloss ist wahrlich ein Riese. Die ziemlich mickrigen Autos auf seiner rechten Seite lassen die wahre Größe erahnen.
Schaufelradbagger im Tagebau Nochten
Hier wird Abraum im großen Maßstab betrieben. Ein Schaufelradbagger pflügt sich durch die Landschaft, sofern man von Landschaft noch sprechen kann. Beachte die Größenverhältnisse, die man durch die großen Kräne am Bagger erahnen kann. Im Hintergrund: alternative Energiegewinnung durch Windkraft.
Ein kleiner Waggon unterhalb eines riesigen Abraumbaggers im Tagebau Nochten
Ein Bild, welches ich nur gemacht habe, um in etwa eine Vorstellung über die Größenverhältnisse zu geben: Mein Augenmerk lag auf der Relation des Werkwaggons auf der Schienentrasse unterhalb der Abraumkante, über der ein kleiner Gigant ruht. Und dieser Koloss ist noch wirklich klein im Vergleich zu einer F60-Brücke.
Windkraft im Größenwahn
Wir kennen die vielen Windkraftrotoren, die vielerorts in der Landschaft stehen und Windenergie in elektrische Energie umwandeln. Aber diese Giganten da im Hintergrund habe ich vorher noch nie gesehen. Schau mal auf die kleinen Betonbauten da “im Wald”: das sind … es ist schwer zu erkennen … IMHO 6-geschossige Wohnblöcke!

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