Dies ist Teil 2 der “Freddy reloaded” – Triologie. Teil 1 kannst du hier lesen: Freddy reloaded.
Der Tag begann trüb und mal wieder viel zu früh. Dennoch konnte ich es geruhsam angehen lassen, hatte ich doch geregelt, dass ich später ins Büro kommen würde, weil ich mein Crossbike “Freddy”, das Centurion, aus der Fahrradklinik abholen durfte, in die es vor wenigen Tagen wegen akuter Beschwerden eingeliefert werden musste. Unter dem obigen Link erfährst du die ganze Vorgeschichte zu diesem Posting.
Ich fuhr recht spät mit der Bahn gen Meckenbeuren, da das dortige Fahrradambulatorium erst gegen 9:00 Uhr die Pforten zum OP-Saal öffnet. Kurz nach 9 trudelte ich beschwingt dort ein. Es waren schon viele Ärzte und Brüder munter. Artig stellte ich mich kurz vor und offenbarte mein Begehr. “Ah – das Centurion. Ich hole es gleich vor.”, murmelte der Chefarzt von letzter Woche und verschwand durch die Hintertüre. Wie durch ein Wunder betrat er kurze Zeit später die Räume durch den Besuchereingang. Ohne Rad. Ohne Freddy. “Ich hab’s draußen hingestellt”, klärte er mein fragendes Gesicht auf und wedelte überschwänglich mit der Visiten-Karte meines Rades. Er hielt mir einen Zettel unter die Nase, der offenbar alle möglichen Beschwerden, die ein Rad so haben kann, enthielt und auf dem einige Stellen farbig markiert waren. Unten standen in schnörkeligen Buchstaben die bösen Worte “mangelnde Pflege”. Mein schlechtes Gewissen verkrümelte sich in die hinteren Reihen meines Bewußtseins.
Sie hätten dieses und jenes gemacht und geputzt und ausgetauscht und alles ist wieder in Ordnung. ‘Prima’, dachte ich und freute mich wie ein Schneekönig. Der Radarzt dirigierte mich zur Kasse, um den fälligen Obolus zu entrichten, der üppig ausfiel. Aber nicht so üppig wie ich befürchtet hatte. Ich zückte meine Karte und schaffte es bereits im zweiten Versuch meine Nerven einzufangen und in koordinierte Bewegungen zu zwingen, die ein Bezahlvorgang mittels EC-Kartenleser erfordert.
Höflich verabschiedete ich mich und trabte nach draußen, wo ich bereits ein leises, etwas verzagtes Wiehern zu hören glaubte. Da stand Freddy, das Centurion-Crossbike. Das Schlachtross, welches mich schon über 6000km durch die hügeligen Savannen des Bodenseeraums getragen hat und mir stets ein treuer, wenn auch in letzter Zeit etwas angeschlagener Freund gewesen war. Freddy blitzte wie frisch aus der Retorte gehüpft. So blitzig hatte ich es nie hinbekommen, bei den zwei, drei mal die ich versucht hatte, Freddy das blitzen beizubringen. Meine Güte – es war ein strahlendes Glück.
Ich verstaute die wenigen Fußgänger-/Bahnfahrer-Habseligkeiten im Rucksack und zog Fahrradhandschuhe, Fahrradbrille und den Kilometerzähler hervor, welchen ich gleich in die zugehörige Fassung einrasten ließ. Jetzt würden die Kilometer wieder purzeln. 1000 – ich komme! Ha … übermorgen ist es dann soweit! Die ersten Tausend 2013! Ich streifte die Handschuhe über, setzte die Kopfhörer ein und die Brille sowie den Helm auf. Ich fühlte nach dem Puls von Freddy. Am Hinterrad und zog überrascht die Hand zurück. Da war so gut wie keine Luft. War Freddy nicht geheilt? Ich fühlte nochmal. Ich schob Freddy zurück in die Klinik.
Der Fahrradguru, welcher mein Schlachtross behandelt und operiert hatte, sah mich fragend an. “Dddaaaa hinnnttenn ist a bsserl wenig Luft drin.”, stöhnte ich hervor. Seine Stirn umwölkte sich und er besah sich das Dilemma selbst. “Gestern Abend habe ich es noch selbst aufgepumpt. Und das hier sollte absolut nicht so sein. Ein Platten?”. Ähem … ähm … das hatten wir doch aber letzte Woche schon diagnostiziert. Scheinbar war dieser Gebrechensteil unter den Werkstattteppich gerutscht und einfach vergessen worden.
Freddy wurde sanft wieder zurück in den OP gebracht und bekam eine neue Lunge in den Hinterreifen einplantiert. Die Lunge sollte ich zunächst noch bezahlen, wies mich der Arzt an, aber der amtierende Kassenwart winkte nur gnädig ab. Ich bekam den Schlauch einfach so geschenkt. Inklusive Montage. Mein besorgtes Gesicht hellte sich wieder auf. Ich beschloss, die Gelegenheit, die momentane Gunst der meckenbeurischen Radgötter zu nutzen. “Was für Pflegemaßnahmen empfehlen Sie denn so?”, fragte ich behutsam. Mein offensichtlich ehrliches Interesse an handfesten Profitipps verfehlte das angestrebte Ziel nicht. Und so begann der Fahrradgott, der Freddy wieder zum Leben verholfen hatte, seine Lektion.
“Sie sollten das Fahrrad hin und wieder einölen. Sehen Sie hier …”, er wies auf leichte gelbe Verfärbungen an der Lankradhalterung, “… Wenn Sie mal wieder Salzfahrten unternehmen wollen …. Sie sind den Winter über gefahren, nicht wahr?” – Ich nickte zustimmend. – “Also wenn Sie Salzfahrten unternehmen, dann müssen schon hin und wieder mit einem Lappen und etwas Öl darauf …. Schauen Sie hier.” – Er wies auf die Anzeige der Gänge. – “Da sehen Sie schon einige Korrosionsstellen. Die kommen vom Salz. Eigentlich sollten Sie vor dem Winter schon mit einem Wachs oder zumindest einem Pflegeöl … Einfach auf den Lappen und dann drüberreiben.”
Ich nickte wie ein Nickser und hakte nach: “Wo denn genau? Doch nicht auch die Bremse!” Ich wollte das Thema auf die so heldenhaft reparierte Bremse lenken.
“Um Himmelswillen nicht die Bremsen.”, vertrieb der Radflüsterer jedweden Gedankenansatz in dieser hirnrissigen Richtung. “Nicht die Bremsen.”
“Hät mich auch gewundert”, gelang es mir meine Expertise in die Waagschale zu rollen. Jetzt nickte der Bikeguru. Anerkennung konnte ich nicht daraus ablesen.
“Und welches Pflegemittel, meinen Sie, sollte man nehmen? Können Sie das was empfehlen?”, stocherte ich nach. Jetzt wollte ich alle Wissensdefizite auf einmal ausräumen.
“Naja … es gibt da unglaublich viele Sachen auf dem Markt. Aber ich verrate Ihnen einen Tipp. Einen Werksstatt-Tipp.”, offenbarte mir der Fahradheiler. Yes – jetzt bekam ich echtes Profi-Wissen!” Ballistol“, flüsterte er mir verschwörerisch zu. “Ballistol ist ein echter Werkstatt-Tipp. Absolut ausreichend. Einfach etwas auf den Lappen. Und dann Rahmen, Schrauben, alles damit kurz abreiben. Aber nicht die Bremsen!”
Ich beschloß mir das zu merken. Gehört hatte ich das noch nie. Es klang irgendwie ein wenig wie WD40 – das Wundermittel, welches ich bisher gegen alles eingesetzt hatte. Nun – ich würde rausbekommen, was es mit dem Ballistol auf sich hat. Das Internet hat sicherlich dazu genug Infos, die ich abrufen könnte.
Und damit verabschiedete ich mich nun wirklich aus dem Bike-Tempel von Meckenbeuren mit seinen Radzauberern.
Voller freudiger Erwartung schwang ich mich nach dem Verlassen der Radklinik auf Freddy und wir brausten los.
Kein Knacken. Leichter Tritt. Lockeres Schalten. Herrlich. Ich muss schon sagen: ein Fahrrad zu fahren, welches in Schuss ist, macht sehr viel mehr Spaß, als ein Fahrrad zu treten, welches sich dagegen wehrt. Aber – und das will ich hier nicht verschweigen – es ist immer noch anstrengend!
Kurz vor der täglichen Bergetappe schalte ich gewöhnlich vorn in den kleinen Ritzelmodus. Ich will mich ja nicht überanstrengen am Morgen. Die Musik im Ohr übertönte jedes Geräusch, das Gefühl in den Füßen aber konnte ich nicht ignorieren. Man kann “rasseln” durch die Füße hindurch bis in den Kopf spüren! MP3-Player in den Ruhemodus und treten …. *rasselrasselrasselrasselrassel* Bei jeden Tritt – rasseln. Ich schaltete hinten noch tiefer hinunter – das Rasseln blieb. Ich schaltete vorn wieder nach oben und wäre schier umgefallen, weil der Kraftaufwand für’s Treten sich plötzlich vervielfachte. Aber das Rasseln war weg. Wieder runterschalten … *rasselrasselrasselrasselrassel*. Verdammt. Ich rasselte mich langsam den Berg hinauf bis zum Büro. Die Schaltung war offenbar absolut unzulänglich eingestellt. Ärzte-Pfusch in der Fahrradklinik! Da ich auf dem Nachhauseweg eh nicht in die Verlegenheit kommen würde, derartig weit in den Gängen nach unten zu gehen, verschob ich das Tuning der Gangschaltung auf den Abend.
Ich arbeitete den ganzen Tag bis … 18 Uhr.
Und jetzt ist es schon so spät und die Geschichte des heutigen Tages noch so lang …. ich werde morgen weiterschreiben müssen. Es gibt noch so viel Dramatik zu berichten … puuh.
Also wird aus dem Zweiteiler jetzt ein Dreiteiler.
Hier geht es zu Teil 3 der Saga: Freddy reloaded – Der laute Tod.
2 Gedanken zu „Freddy reloaded II – Die Genesung“