Freddy reloaded – III : Der laute Tod

Wir schreiben das Jahr 2013. Der April geht an seinem 23. Tag dem Ende entgegen. In Freddy reloaded – das Leiden und Freddy reloaded II – Die Genesung hast du viel Wissenswertes erfahren, was für diesen letzten Teil der “Freddy reloaded”-Saga von Bedeutung ist. Es ist die Zeit der Entscheidung. Das Grande Finale. Pure Dramatik.

Es ist Zeit für den Heimweg. Bergab. Sonnenschein. Kühl, aber nicht unangenehm. Ideales Wetter für kurze Radklamotten.

Verwegen stürze ich mich den Berg hinunter, den ich jeden Morgen hinaufstrampeln muss. Runterzu brauche ich einen Bruchteil der Zeit, die ich morgens am Anstieg liegen lasse. Freddy galoppiert wie ein junger Hengst hinunter. Es ist eine Freude! Es ist purer Spaß.

Ich düse lockeren Tritts gen Heimat. Verdammt – der “Anstieg” am Autohaus ist auch mit einem intakten Schlachtrad eine Plage. Eine Blondine mit 2 Hunden kreuzt meinen Pfad. Ich ringe mir ein aufgelockertes Lächeln ab und verfalle 50m hinter dem Trio in angestrengtes Schnaufen. Oben. Endlich. Jetzt wieder Abfahrt. Ah – da ist schon die Abbiegung zur Bahnlinie hinunter. Klasse. 40km/h …. 45 km/h ….. mehr geht heute nicht. Egal. Die 50 hebe ich mir für die kommenden Tage auf. Ab durch den Wald, in dem mir letztes Jahr, etwa zur gleichen Zeit, ein fieser Splint aufgelauert und mein Hinterrad aufgespießt hatte. Ich passiere die Stelle unverletzt. Wie eigentlich immer. Warum ich ausgerechnet heute wieder daran denken muss? Zack – schon bin am Ferienhof. Es geht wieder ein wenig bergab. Eine ideale Sprintstrecke. Hochschalten in den 7. Gang hinten. Vorn steht immer die “3”. Beschleunigen. 30 … 40 … 42km/h ….

PENG!

Freddy benimmt sich wie ein angeschossener Hengst und schlingert fahrig über die Straße. Ich habe extreme Mühe nicht einfach umzufallen. Ich bin viel zu schnell um einen Aufprall unbeschadet überstehen zu können. Purer Überlebensinstinkt übernimmt die Kontrolle. Ich kämpfe mit Freddy einen kurzen, harten Kampf. Es klingt wie Metall auf Stein an meine Ohren. Die Bewegungen werden immer unkontrollierter. Ein Sturz erscheint unvermeidbar. Da kommen wir ca. endlose 30m nach dem Knall endlich zum stehen. Wie durch ein Wunder stehen wir beide aufrecht.

Aber Freddy ist tödlich verwundet. Angeschossen? Da war der Knall!.

Das Vorderrad sieht echt schlimm aus. Der Mantel des Rades schlingert zwischen der Radgabel. Das Rad selbst steht auf der blanken Felge. Der Schlauch – die Lunge des Rades – hat sich beidseitig um die Nabe gewickelt. Der Teil mit dem Ventil ist straff um die Felge gespannt.

geplatzter Fahrrad-Reifen
Sauber durchtrennt – der Fahrrad-Schlauch ist wohl hinüber.

Langsam dämmert mir was passiert ist: der Vorderreifen ist geplatzt. Geplatzt bei über 40km/h. Ich stehe an dem einzigen Häuschen weit und breit, welches von einer älteren Frau bewohnt wird. Diese kommt hastig-besonnen zum Zaun geeilt und schaut in die Richtung aus der ich gekommen bin. Dann dreht sie ihren Kopf und erblickt mich. “Haben Sie diesen Knall gehört?”‘, fragt sie mich. Ich schaue sie erstaunt an und entgegne: “Ähm … ja … das war ich bzw. mein Vorderrad, dessen Reifen eben geplatzt ist.”
“Das klang wie ein Autoreifen, der platzt.”, erwiderte sie staunend. “Da haben Sie aber Glück gehabt, was?”
“Kann man wohl sagen. Ich war ziemlich schnell gerade und plötzlich dieser Knall und ich hatte echt zu tun, dass ich nicht stürze.”
“Ja, manchmal muss man eben einfach nur Glück haben, nicht?”, lachte sie und ging wieder ihrer Arbeit nach.

Ich schleppte den verletzten Freddy an ihren Gartenzaun und besah mir den Schaden. Ich versuchte das Vorderrad abzubauen, aber das war vergeblich. Dazu musste ich erst die Schlauchschlange besiegen. Ich rang ein paar Augenblicke mit dem Biest und dann hielt ich das Monster in der Hand. Meine Güte – wie zerupft so ein Fahrradschlauch aussehen kann.

zerplatzter Fahrradschlauch
Geplatzte Fahrrad-träume: meine Güte – fehlt nur noch Blut.

Ich rang einige Momente um Fassung. Wieviel Glück muss ein Radler haben, damit er das überlebt? Ich schob das Grauen beiseite und kramte den Heroismus hervor: ich Held habe es geschafft, dem potentiellen Tod vom Sattel zu springen! Naja – zumindest der drohenden blutgetränkten Krankentrage.

Dann gewann auch schon wieder die Professionalität die Oberhand. Für dahingeraffte Schläuche habe ich immer einen Ersatzschlauch, nebst dem zum wechseln notwendigen Werkzeug dabei. Ich kramte den Ersatzschlauch aus dem Rucksack und begann den Heilungsprozess für das Vorderrad einzuleiten. Mantel einfädeln, Schlauch einsetzen, Mantel aufziehen …. Moment mal. Was war das? Beim ersten groben sichten des Radmantels waren mir keine Wunden aufgefallen. Alles schien in Ordnung. Doch nun …

Schlitz im Fahrradmantel
Aufgeschlitzt – war diese Wunde verantwortlich für den Reifenplatzer oder kam sie beim verzweifelten Überlebenskampf erst hinzu?

Also mal ehrlich: diesen Mantel wieder aufzuziehen und damit nach Hause zu fahren erschien selbst mir zu riskant. Ich weiß nicht, ob diese Wunde mit dem Reifenplatzer einher ging oder erst danach zugefügt wurde, als der Mantel orientierungslos zwischen der Radgabel umherschlenkerte. Es gibt leider, leider keine Filmaufnahmen, die ich zurate ziehen könnte. Die Wunde sieht aber danach aus, als hätte irgendwas auf der eigentlich sehr sauberen Straße den Mantel aufgeschlitzt.

Glücklicherweise lebe ich in modernen Zeiten und bin Besitzer einen Smartphones. Ich brauche das sonst eigentlich nur für Twitter, Facebook und Angry Birds, aber hin und wieder telefoniere ich auch damit. Ein Notruf nach Hause war schnell gemacht. Das Shuttle würde umgehend starten. Priml. In der zwischenzeit beäugte ich immer wieder die Zerstörung und musste nur hin und wieder aufpassen, dass mir von irgendwelchen rasenden Fahrzeugen nicht aus Versehen der Hintern weggefahren wurde. Zugegeben – die Ecke wo ich stand war strunzdoof und schwer einsehbar. Aber so wie manche da die schmale Straße entlang donnern … Ich mache das ja nicht anders. Nur nicht ganz so schnell.
Neugierig ging ich meine Bremsstrecke noch einmal ab. Jedenfalls soweit ich sie im Geiste rekonstruieren konnte. Aber ich fand außer ein paar Kieselchen nichts gefährliches auf der Straße. Die Ursache für das spontane Strukturversagen meines Vorderradreifens wird wohl für immer ein Rätsel bleiben. Eine lupenreine X-Akte.

Was mir positiv in Erinnerung bleibt sind die Radfahrer, welche sehr, sehr hilfsbereit einer nach dem anderen ihre Hilfe anboten. Sogar ein Auto hielt an und fragte nach, ob ich denn was brauche oder alles ok ist. Ich schätze die Angebote mal auf 50% aller Passanten der Tragödie. Ein überraschend gutes Verhältnis. Ein älterer Radfahrer hielt an und fragte, ob ich denn stärker verletzt sei. Immerhin würde ich ja bluten. WAS? Das war mir bisher nicht aufgefallen. Er wies auf meine Beine und tatsächlich … an der Innenseite des linken Knies prangte ein Tropfen Blut (*). Eine ansatzweise verblichene Blutspur deutete auf bereits vorangegangene Bluttropfen hin. Ich verspürte aber keinerlei Schmerzen. Auch anderweitig konnte ich keine offenen Wunden an mir entdecken. Das erleichterte dann auch den Radfahrer, der mir pronto erzählte wie der vor Jahren auf Inlinern einen Stunt unabsichtlich hingelegt und sich dabei eine (mit den Fingern gezeigte) ca. 4cm lange Wunde am Kopf zugezogen hatte. Er würde seit dem immer einen Helm tragen. Ein vorsichtiger Mensch! Aber nicht unangenehm.

Das Pick up klappte dann wunderbar. Daheim angekommen habe ich einen neuen Schlauch und einen alten Mantel gezückt und ruck zuck eingebaut. Freddy – the rebirth.

Repariertes Vorderrad meinen Centurion-Crossbikes
Zum zweiten Mal wiedergeboren: Freddy mit intaktem Vorderrad. The Rebirth.

Die Geschichte um Freddy wird nicht umhinkommen, fortgesetzt zu werden. Dafür habe ich Freddy – dem Schlachtrad – jetzt sogar eine eigene Kategorie hier auf Themenmix.de gewidmet: Freddy – das Centurion-Crossbike, in der du alle Beiträge die mein Radl betreffen finden kannst.

(* Wenn du dich jetzt fragst, was es mit dem Blut am Knie auf sich hatte, will ich dich nicht länger auf die Folter spannen: Irgendein fieses Biest von Biene/Bremse/Mücke/Flugsaurier hatte wohl meine Lücken in der Deckung  beim Überlebenskampf ausgenutzt und sich widerrechtlich an meinen Blut gelabt. Ich weiß nicht, ob das Vieh lebend davon gekommen ist. Ich habe es nicht hinter den Gräsern am Straßenrand entdecken können. Keine Blutspuren. Nirgends. Entweder hat das Ding seine Spuren sehr gut verwischt oder es vermag, sauber zu essen. Ein weiteres Mysterium!)

Nächste Geschichte um Freddy: Nachtflug – wie sich ein Centurion-Crossbike bei Dunkelheit anstellt. Und sein Radfahrer.

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