Leine los …

Durch einen Hund wird einer Familie ein gewisses Pensum täglicher Frischluftbewegungen auferlegt. Nicht das wir uns bisher dagegen gesträubt haben, raus zu gehen. Ein Hund ändert nur grundlegend die Einstellung zum Wetter. Ein Hund nimmt nämlich keine Rücksicht darauf und hat meteorologischen Unbillen gegenüber eine recht entspannte Haltung, die zu übernehmen erste Pflicht eines Hundehalters zu sein scheint. Dies wussten wir natürlich schon aus vielen Erzählungen gewiefter Hundefreunde. Wir stellen uns gerade darauf ein und bekommen eine gewisse Routine darin. Ich bin ja gespannt, wie lange diese Routine aufrechterhalten werden kann.

Letzten Sonntag war das Wetter annehmbar. Nicht voll vollendetem Frühling, aber auch nicht furchtbar. Ich ging das erste mal mit als es Gassi hieß.

Im Ort lassen wir Teddy an der Leine. Er trabt gemütlich neben uns her und ist vor allem von Löwenzahn fasziniert. Überhaupt hat er scheinbar eine gewisse Zuneigung zu Pflanzen jeglicher Art, denn er schnüffelt leidenschaftlich gern an grünen Stengeln herum. Unser Weg führte uns zum recht nahe gelegenen Wald. Kaum das wir diesen erreichten, kamen wir auf die Idee, Teddy von der Leine zu lassen. Wir schrieben Tag 2 unseres gemeinsamen Lebens und wir schenkten Teddy die Freiheit. Würde er unseren Anflug von Leichtsinn ausnutzen? Immerhin kennen wir uns erst ein paar Stunden!

Teddy schien nicht mal den Hauch einer Ahnung zu haben, dass er nun tun und lassen konnte was er wollte. Teddy schnüffelte hier und da, fiel hinter uns zurück und kam gleich darauf hinterher getrabt, nur um sich die Spitzenposition zu erobern. Dort wuselte er vor uns umher und dachte nicht mal im Traum dran, abzuhauen. Ich gestehe, dass es eine Lust war ihm zuzusehen. Wie er so wie selbstverständlich bei uns blieb, auf uns wartete oder uns einholte und sich immer wieder vergewisserte, ob wir auch ja noch alle beisammen und vor allem in seiner Nähe sind.

Teddy fragt mir treudoofem Blick, ob alles OK ist.
Teddy vergewissert sich ständig, dass alles in Ordnung ist und schaut uns fragend an. Ein extrem braver Hund!
Wir merkten Teddy an, dass er es gewohnt war, bei den Menschen zu bleiben und niemals auch nur mehr als 20m Abstand zu bekommen. Egal ob wir durch den Wald liefen oder ein Stückchen Straße zu laufen hatten – Teddy lief auf Tod und Teufel bei uns. Uns wurde klar, dass er das tat, weil er es wollte. Teddy wusste vermutlich von seinem früheren Herrchen wie er sich in freier Wildbahn zu verhalten hatte. Und wir kamen nun in den Genuß auf einen fast vollständig fertig “ausgebildeten” Hund. Auf “Komm!”, kommt er. Auf “Sitz!”, sitzt er … oder auch nicht. Daran müssen wir noch arbeiten. Auf “Zieh Leine und mach dir nen Bunten!” schaut er nur irritiert in unsere Gesichter und versucht, Gedanken zu lesen. Mit fortschreitender Zeit fiel von mir immer mehr der “Aufpasser” ab und ich entspannte mich. Um Teddy musste ich mir keine Sorgen machen.

Teddys Fitnesszustand schien aber nicht so toll zu sein. Er wurde im Laufe der 2h ziemlich müde. Das änderte sich immer dann, wenn andere Hunde unsere Wege kreuzten. Das erste mal holte uns im Wald eine Frau mit einer anmutig dahintrabenden Dogge ein. Ein Riesenvieh von Hund im Vergleich zu Teddy. Wie sollten wir uns verhalten? Teddy anleinen? Er zog den Schwanz ein und wich nicht von uns. Wir legten ihm vorsorglich an die Leine und ließen die Dogge passieren, welche ganz offensichtlich viel zu stolz war, um Teddy mehr als einen Blicks aus dem Augenwinkel zu würdigen.

Später trafen wir Linette. Ich habe keine Ahnung, ob der Name so richtig geschrieben wird. Linette ist ein junger Schäferhund und gehört zu Flora. Wochenlang dachten wir, dass die Namenszuordnung genau andersherum war. Die Beiden kommen mindestens einmal am Tag an unserem Haus vorbei und daher kannten wir sie schon. Linette ist ganz erpicht darauf, Steine auszubuddeln und darauf zu warten, dass man diese wirft, um dann mit Vollspeed hinterher zu jagen. Ein äußerst lebhafter Hund und sehr freundlich zu den Kids. Manchmal etwas zu stürmisch für mein Empfinden.
Jedenfalls trafen wir die beiden und Teddy machte sich erst einmal mehr oder weniger ins Fell. Linette hatte aber keinerlei Ambitionen unseren Teddy zum Mittag zu verspeisen. Es dauerte nur ein bis zwei Minuten und beide Hunde jagten über den Acker. Linette vorneweg, Teddy hinterher. Ich warf zur Unterstützung Steine. Die beiden tollten wie zwei junge Hunde herum, was daran liegen mag, dass beides junge Hunde sind. Es machte Spaß zuzusehen. Teddys mangelnde Ausdauer ließ ihn aber nicht lange zu einem ebenbürtigen Spielkameraden für Linette werden. Unser Fazit: Teddy kann auch ohne Leine mit anderen Hunden. Wir gehen davon aus, dass wenn uns Hunde ungeleint entgegen kommen, brauchen wir ebenfalls keine Leine. Wir werden sehen wie weit wir damit kommen.

Teddy bekommt jeden Tag mehrstündige Ausläufe verpasst und so langsam bildet er muskulöse Waden. Heute Vormittag war ich wieder mit von der Partie und wir liefen gut zwei Stunden durch die Pampa. Kaum im Wald läuft Teddy allein und findet es vor allem witzig, wenn wir Tannenzapfen werfen. Für vielleicht 3min hat er großes Interesse an den Dingern, die er einsammelt und teilweise auffrisst, nur damit sie dann schnell an Faszination verlieren. Wieder machten wir die Erfahrung, dass Teddy anderen Hunden mit Zurückhaltung und Respekt begegnet. (Manchmal ist Respekt mit “Ich mach mir ins Hemd!” gleichzusetzen.) Nur einmal kam uns eine Frau mit einem Bullterrier entgegen. Oder war es Rottweiler? Oder ein anderes großes Geschöpf der Hölle? Dieses Mistvieh schnappte knurrend nach Teddy, als wir uns im Abstand von 10cm passierten. Mehr Abstand ließ der Weg nicht zu. Dieses Riesenrhinozeros von Hund durfte sich danach ne Standpauke von seinem Frauchen abholen. Ich bezweifele aber, dass sie eine große Chance gehabt hätte, die Bestie ernsthaft in Schach zu halten. Teddy war flink ausgewichen und tippelte wie bisher weiter. Ein Meister der Verdrängung! Er hatte eben dem scharfzahnigen Tod ins Maul geblickt! Oder hatten wir nur alles überinterpretiert?

Teddy: Das ist mein Zapfen.
Teddy liebt Tannenzapfen. Wenn auch ihre Faszination nur von kurzer Dauer ist. Solange gibt er sie aber nicht her.

Nach den Spaziergängen wird Teddy erstmal abgetrocknet, denn die Landschaft trieft geradezu vor Nässe nach den Regenfällen der vergangenen Tage. Er lässt das ohne Probleme zu. Ein “Sitz!” bereits im Eingangsbereich bremst ihn auf dem Weg zum Sofa aus und er lässt die Trocknungsprozedur über sich ergehen. Aber dann … flitzt er ab, springt aufs Sofa und will geknuddelt werden, was er auch bekommt.

Alles in allem beweisen uns unsere gemeinsamen Spaziergänge, dass wir mit Teddy einen Prachtkerl von Hund bekommen haben. Erziehungstechnisch können wir ihm wohl nicht mehr viel beibringen, wobei ich bezweifele das wir wissen, wie man einem Hund etwas beibringt.

Wie sagte doch neulich auf Facebook eine Freundin:

Du machst hier übrigens grad fantastische “Werbung”, im Tierheim auch mal einen älteren Hund zu adoptieren . Genau so, wie Du es beschreibst, läuft es nämlich mit den *Älteren* … es sei denn, sie kommen aus wirklich miesen Verhältnissen. In dem Sinne: Daumen doppelt hoch !

Wenn dem so ist, dann mache ich gern “Werbung” für gebrauchte Hunde. Teddy ist unser aller Teddy und wir lieben ihn so wie er ist. Teddy ist eineinhalb Jahre alt und hatte soviel Erfahrung mit in unsere “Beziehung” gebracht, dass es uns als eine Leichtes erscheint, mit einem Hund zusammenzuleben. Wir sind dankbar dafür. Und ich glaube, dass Teddy auch dankbar ist, dass wir seine neue Familie sind.

2 Gedanken zu „Leine los …“

  1. NIEMALS Stöcke, Steine und auch keine Tannenzapfen werfen. Ein Bekannter hatte seinem Hund aus Spass einen Golfball geworfen, der Hund hat jetzt eine lange Reissverschlußnarbe am Bauch, weil der den Golfball im Eifer verschluckt hatte.
    Gummi-Wurf-Dummys kosten nicht die Welt und neben dem Internet gibt es die auch bei ZG Raiffeisen oder Fressnapf & Co.

    Noch kurz zur Anleinpraxis: Wenn euch ein Hunde entgegenkommt der angeleint ist, leint euren auch an. Ihr wisst nie was da auf euch zu kommt. Wir haben nämlich auch so ein Geschöpf aus der Hölle und es ist eben nicht so, dass alle Hunde dieser Erde eine glückliche große Familie sind, auch wenn das einigen Hundehaltern schwer fällt zu verstehen….

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  2. Glückwunsch zum Familienzuwachs, der euch ja schon prima um die Pfote gewickelt hat. Ein Leben ohne Hund ist möglich, aber sinnlos und ein Leben ohne SKT ist ebenfalls möglich, aber umständlich *g*. Bin über deinen SKT-Blog hier gelandet und habe mich über deine Rezepte-Prosa köstlich amüsiert. Meine “Ode an Monsieur Papin” findest du übrigens hier: https://eigenwillig.wordpress.com/2012/09/30/ein-posthumes-dankeschon-an-monsieur-papin-und-seinen-topf/#more-446

    Eine dringende Bitte hätte ich noch: Weder Steine noch Stöcke werfen, die Verletzungsgefahr für Teddy ist zu groß. Google mal nach “Suchendummy” und verstau eins in jeder “Hundejacke” :-).

    LG

    Sylvia

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